Oslo: Ein erster Eindruck

Da ich beschlossen habe, meinen Blog hier wieder etwas öfter, aber auch vielfältiger und persönlicher zu nutzen, möchte ich ab heute in regelmäßigen Abständen über das zur Zeit für mich wichtigste persönliche Ereignis berichten: Meinen seit dem 04.08. andauernden Aufenthalt in Norwegen.

Nach einigen Schwierigkeiten im letzten Jahr habe ich es doch noch geschafft, einen Erasmus-Platz hier in Oslo zu bekommen. Insbesondere dank der Mithilfe des International Office der Uni Tübingen, eines sehr engagierten Profs in Tübingen und besonders einiger Menschen hier in Oslo studiere ich also seit gut vier Wochen an der Universitetet i Oslo. Bisher läuft alles besser als erwartet, und da ich in den letzten Tagen mehr als genug Zeit hatte, mich so einigermaßen einzuleben, möchte ich die Ruhe im Moment nutzen und meine ersten Erfahrungen schildern.

Die Stadt

Oslo ist von der Einwohnerzahl mit Stuttgart vergleichbar, allerdings verteilt es sich auf mehr als die dreifache Fläche! Das ist vielleicht der Grund, warum mir die Stadt selbst bisher sehr gut gefällt: Sie ist zum Einen geprägt von vielen Parks, und geht zum Anderen an ihren Rändern nahtlos ins Grüne über. Besonders ich merke das direkt neben meinem Wohnheim in Kringsjå. Hier liegt zum einen der Sognsvann, ein etwa 3km x0,5km großer See, der den Osloern besonders an schönen Wochenenden als Naherholungsziel schlechthin dient, sowie der Beginn der Nordmarka. So nennt man hier die Wälder nördlich der Stadt, die durchzogen von Wanderwegen und Loipen sind und mit vielen Hütten und einem hervorragend ausgeschilderten Wegenetz zum Wandern einladen. Auch diese Wege beginnen direkt vor meiner Hasutür, und das, obwohl ich mit der U-Bahn (<5 Minuten Fußweg) in nur 15 Minuten im Stadtzentrum bin! Selten habe ich eine Stadt gesehen, die so sehr ins Grüne eingebettet ist wie Oslo.

Blick vom Akershus nach Aker Brygge

Blick vom Akershus nach Aker Brygge

Zwar gibt es hier mit Grünerløkka, Grønland, Aker Brygge und Majorstuen auch sehr schöne Stadtviertel, die sowohl hochmoderne, tolle Architektur, als auch alte Stadthäuser zu bieten haben. doch fehlt mir manchmal eine echt Altstadt, wie wir sie sonst aus europäischen (nicht unbedingt aber aus deutschen) Städten kennen. Ein paar ganz alte Gebäude, wie das alte Rathaus von Kristiania, den sehr sehenswerten Dom oder die Festung Akershus, kann man hier zwar finden, der Großteil der alten Stadt fiel aber Bränden zum Opfer. Dennoch gibt es Dank einer Unzahl von Museen immer noch genug für mich in der Stadt zu entdecken; und nicht zuletzt finde ich die Atmosphäre der Stadt am Fjord mit ihren unzähligen Inseln und Fähren mehr als spannend! Wie auch in Hamburg muss ich immer wieder an den durch Kettcars Marcus Wiebusch bekannt gewordenen Spruch Bernd Begemanns denken:

In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.

Die Menschen

Ich hätte es kaum gedacht, aber tatsächlich unterscheiden sich meine Erfahrungen mit Norwegern deutlich von denen mit Deutschen oder anderen Mitteleuropäern. Zuerst einmal fiel mir hier von Anfang an die unglaubliche Hilsbereitschaft auf, mit der gerade internationale Studenten, aber auch Touristen aufgenommen und hermugeführt werden. Das ist ein ungemein schönes Erlebnis und hilft einem oft weiter, es lässt einen sich wirklich wie zu Hause fühlen.

Über die norwegische Gesellschaft werde ich noch Einiges schreiben, alleine die Hierarchie [Spoiler: nicht vorhanden] und die Gleichberechtigung der Geschlechter [Spoiler: hervorragend] sind eigene Artikel wert. Deswegen möchte ich zu diesem Punkt nicht zu ausführlich werden, aber eine Auffälligkeit möchte ich doch nennen: In zwei Vorträgen hier an der Uni wurden wir als neue Studenten begrüßt und mit einem Augenzwinkern in die „Gefahren“ der norwegischen Kultur eingeweiht – beide Vortragenden erwähnten dabei unabhängig voneinander ein lustiges Phänomen, dass ich sonst so kaum kenne: Norweger beschweren sich nicht, wenn etwas schwer, anstrengend oder unangenehm ist – sie freuen sich dann darauf, dass es sich danach umso schöner anfühlen wird, wenn sie diese Herausforderung gemeistert haben. Das nannten die Vortragenden beispielsweise als Grund dafür, dass Norweger sehr gerne im kältesten Winter auf die schwierigsten Gipfle langlaufen – um sich, dort angekommen, bei einer Orange auf dem Gipfel umso wohler zu fühlen; oder auch dafür, dass viele Norweger im Winter durch Löcher im Eis in zugefrorenen Seen baden – es fühle sich danach einfach noch besser an. Crazy people…

Die Uni

Mein wichtigster Eindruck von der UiO: Jeder an meiner Uni, vom Bibliotheksmitarbeiter zum Professor, gibt sich alle Mühe, den Studenten den Aufenthalt so angenehm und einfach wie möglich zu gestalten. Alle Frage werden beantwortet oder man wird zumindest sehr freundlich an die zuständige Stelle weiter geleitet. Ganz anders, als ich es leider manchmal aus Tübingen gewohnt bin, geht es hier nicht darum, dass eine Stelle möglichst nicht zuständig sein will – man versucht im Gegenteil möglichst viel zu helfen. So kam es wohl auch schon vor, dass die Bibliothekare jemandem einen guten Zahnarzt empfahlen oder Mitarbeiter der Fachberatung der naturwissenschaftlichen Fakultät bei einem kaffe Austauschstudenten bei ihren persönlichen Problemen geholfen haben.

Als sehr angenehm empfinde ich übrigens die Atmosphäre zwischen Studierenden und Professoren: Ich bin als Physiker zwar sowieso verwöhnt, was die Größe von Tutorien oder Seminaren angeht, aber hier in Oslo sind selbst unsere Vorlesungen so klein, dass viele Professoren uns inzwischen alle mit Namen kennen und sich viel Zeit für den oder die Einzelnen nehmen können. Auch in Pausen redet man gerne Mal mit den Professoren und unterhält sich durchaus über fachfremde Themen. Teilweise entsteht eher der Eindruck eines Gesprächs unter Kollegen denn eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses. Ich finde die so geschaffene Atmosphäre wie gesagt wirklich angenehm.

Von der Ausstattung ist die UiO, die sich bis auf die juristische Fakultät (diese hat wie in Tübingen die prachtvolle Aula in der Stadtmitte für sich) auf einen Campus konzentriert, mindestens genau so gut wie meine Heimatuni. Einige neue Gebäude, aber auch teilweise gut renovierte alte, hervorragende Infrastruktur und angemessen große Räume sind auf jeden Fall vorhanden. Besonders schön finde ich, dass fast jede Fachschaft im Keller ihres Gebäudes in alten, bunkerähnlichen Schutzräumen über einen kleinen Pub verfügt, in denen es unter der Woche meistens Kaffee und Waffeln, am Wochenende Party und Bier gibt. Die Preise dort sind sehr angenehm und viele Studierende helfen dort sehr gerne ehrenamtlich mit.

Und sonst?

Polarlichter am vergangenen Dienstag am Sognsvann. Mit freundlicher Genehmigung von Fredrik Rustøen (https://www.flickr.com/photos/133534401@N06/) All rights reserved

Polarlichter am vergangenen Dienstag am Sognsvann.
Mit freundlicher Genehmigung von Fredrik Rustøen (https://www.flickr.com/photos/133534401@N06/)
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Eine Sache, derer man sich bewusst sein sollte, wenn man nach Norwegen geht, ist das extreme Preisniveau. Dank Erdöl ist dieses Land unglaublich reich, und das merkt man jeden Tag. je nachdem, welchem Ranking man glaubt, gilt Oslo sogar als teuerste Stadt der Welt. Besonders merkt man das natürlich beim hoch besteuerten Alkohol: Das billigste (!) Dosenbier im Supermarkt kostet etwa 2,50€/0,5l! Für gutes Bier zahlt man natürlich entsprechend mehr – wobei es hier tatsächlich eine große Auswahl an hochwertigen Bieren an fast jeder Ecke gibt. Der Rest der Lebensmittel ist zwar deutlich teurer als bei uns, aber hält sich in Grenzen – anders als (Fach-)Bücher, für die Manche mehr als 500€ pro semester ausgeben müssen. Die einzigen Dinge, die ich bisher entdeckt habe, die billiger sind als in der Heimat, sind guter Kaffee und Reisen (jedenfalls für junge Leute). Dass alles sollte allen bewusst sein, die hier ihren urlaub oder gar ein Auslandssemester planen!

Bisher ist Oslo auf jeden Fall eine extrem spannende und lohnende Erfahrung. Auch, wenn ich berücksichtige, wie viel Aufwand und Arbeit ich in das Projekt Erasmus stecken musste – ich rate jederzeit jedem dazu, die Gelegenheit zu nutzen, wenn man sie denn hat. Vieles, was ich hier erlebe, könnte ich in deutschland nie erleben; nicht nur Wanderungen wie zum berühmten Felsen Trolltunga oder Polarlichter, sondern vor allem tolle neue Freundschaften und gemeinsame Zeit mit Menschen von allen Kontinenten!

I will keep you updated!

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